Rückblick

Romantik in höchster Vollendung

An diesem Abend hatte ich fast das Gefühl eines Déjà-vu.

Gleiche Stadt, gleicher Konzertsaal, gleiche erstKlassik-Konzertreihe. Zur gleichen Zeit im Jahr. Die gleiche Freude, endlich wieder ein Live-Konzert zu besuchen. Der gleiche strahlende Vladimir Genin, der die Gäste begrüßt. Schließlich die gleiche Hoffnung, dass das Schreckliche vorbei war. Es ist fast alles noch so wie vor einem Jahr. Es ist an der Zeit, nach Unterschieden zu suchen.
Und die gibt es auch. So wurden z.B. die Temperaturen nicht mehr am Eingang gemessen. Offensichtlich erwies sich diese Methode als irrational. Zumal viele schon mindestens halbwegs geimpft waren. Diesmal wurden die Sitze nicht alle voneinander weggerückt, sondern bildeten Reihen von zwei, drei oder vier Stühlen, unter Berücksichtigung der Zuschauer, die zusammenkamen. Es war sehr passend, da unsere vierköpfige Familie kam und in der ersten Reihe saß.
Die Stimmung war von Anfang an ausgelassen, sowohl im Publikum als auch bei den Musikern. Die Freude in den Gesichtern zeigte sich sogar durch die medizinischen Masken. Bis zum letzten Moment hatte ich nicht glauben können, dass das Konzert wirklich stattfinden wird. Vladimir Genin kündigte den Beginn des Konzerts an und bemerkte, dass wir uns mit den außergewöhnlichen Künstlern treffen würden, sowie mit einer Stradivari-Geige, die allerdings nicht "von selbst" spielt.

Zu den Musikern:
Sie alle sind herausragende Künstler, aber heute hörten wir nicht nur drei herausragende Musiker, sondern ein echtes Trio, einen einzigen kreativen Organismus, mit einem breiten Atem und einem edlen Klang. Romantisches Repertoire setzt eine reiche Palette von Emotionen voraus und birgt die Gefahr, die ephemeren Grenzen des Erlaubten zu überschreiten oder in billige Theatralik abzugleiten. An diesem Abend ist nichts dergleichen passiert und es konnte auch nicht passieren. Nicht eine Spur von Falschheit blitzte in der Darbietung der Musiker auf. 

Erstklassik 2021 06 26 Musiker kl

Apropos, die ausgewählten Beispiele der Romantik selbst zeichneten sich durch ihren tadellosen Geschmack und ihr hohes Niveau aus. Das frühe Brahms-Trio ist ein erstaunlich reifes und tief durchdachtes Werk. Wenn man es hört, könnte man glauben, dass sein Autor anschließend das Deutsche Requiem und die "Vier Strengen Schriften" geschrieben hat. Vielleicht liegt es an der späten Bearbeitung durch Brahms 35 Jahre später.
Was Tschaikowskis Trio in Erinnerung an den großen Künstler betrifft, das zum Tod von Nikolai Rubinstein geschrieben wurde, so ist es meiner Meinung nach eines der lebendigsten und substanziellsten Musikstücke überhaupt. Wenn Tschaikowsky nichts anderes als dieses Trio geschrieben hätte, wäre er immer noch großartig. Es ist nicht verwunderlich, dass die Musiker in diesem speziellen Trio einen noch nie dagewesenen Effekt erzielten, der einer Katharsis gleichkommt, was genau das ist, wofür Musik geschrieben und gespielt wird. Die Variation in Form einer Fuge wurde auf einer Art superenergetischen Ebene ausgeführt. Der Schlusssatz klang tragisch und triumphierend zugleich. Und dem Beginn des Trauermarsches ging das Läuten der Kirchenuhr voraus, das von draußen kam. Zufall? Oder waren die Elemente des Seins in geheimer Resonanz?

So oder so, die Resonanz des Publikums war gewaltig. Die lang anhaltenden Ovationen waren ein Beweis dafür. Die Wiederaufnahme des Konzertlebens war so lebendig, dass ich einfach nicht glauben kann, dass es wieder zu einem Ende kommen kann. Lasst uns an das Gute glauben.

Familie Lavrentjev, Juli 2021

 

 

»… Endlich wieder ein Konzert mit Publikum … Hundert Glückliche durften – mit Maske und Abstand – dabei sein …
Dass diese drei Künstler meisterhaft mit ihren Instrumenten umzugehen verstehen, bewiesen sie an diesem Abend zur Freude eines begeisterten Publikums …
Die Spannung war kaum auszuhalten, als die Musik am Ende langsam bis zum endgültigen Pianissimo abebbte und sie löste sich erst nach ein paar Sekunden in anhaltenden Applaus, lauten Bravo-Rufen und Standing Ovations.«

Der Mooskurier, 14. Ausgabe, 9. Juli 2021

 

»Romantik pur: Stehende Ovationen für drei Topmusiker
… Es war atemberaubend, wie die Interpreten den stetigen Wechsel zwischen strahlender Helle der Violine und der abgedunkelten Wärme des Cellos, strukturiert durch virtuose Passagen des Klaviers, durch alle vier Sätze (Brahms Trio in H-Dur, op.8) präsentierten. Der durchgehende Spannungsbogen war dabei immer belebt … Die drei Musiker erreichten in ihrem Spiel eine gewaltige Wirkung, indem sie die Tiefe der schmerzlichen Trauer durch Extreme in Klang, Virtuosität und Ausdruck erzeugten – und ein Stück weit die „russische Seele“ hörbar machten (Tschaikowski Trio in a-moll, op. 50). «

Freisinger Tagblatt, 5. Juli 2021